Der Zyklus L’Heure de Mylène aus dem Jahr 1962 zählt zu den bedeutendsten Graphikserien in Janssens Frühwerk. Thematisch und stilistisch knüpft die Folge an die erotischen Darstellungen der Nana-Mappe von 1959 an: Zart gezeichnete, von Intervallen durchsetzte Umrisse, in denen sich die Liebesspiele vollziehen. In Anlehnung an die Radierungen James Ensors, dessen filigraner, aufgelöster Graphikstil Janssen zu dieser Zeit besonders beeinflusste, scheinen sich die Körper wie Gespinste in der Fläche zu verlieren. In L’Heure de Mylène wird die radierte Linie zur Provokation: Aggressiv in der Verrenkung der Gliedmassen sind die Figuren in ihrer Haltung erstarrt. Janssen spielt mit der Kargheit der Linie, spannt Fäden wie Tentakeln, mit denen sich die Protagonisten im Netz der Liebe verspannen.
Die Folge der L’Heure de Mylène gehört zu der Reihe der so genannten kleinen Radierungen, die Janssen zu Beginn der 60er Jahre schuf. Mehr als bei den zur gleichen Zeit entstandenen großformatigen, dichten Radierungen manifestiert sich in diesen Werken Janssens zeichnerische Begabung, zugleich aber auch seine Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten.
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Horst Janssen (1929 – 1995)
L’ heure de Mylène, Bl. II, 1962
Radierung
283 x 194 mm
© Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett
Photo: Christoph Irrgang
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